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23.11.2021 - Der 3. Stolperstein in der "Scholle"

Ein Bericht des Baugenossen Jürgen Hochschild

Am 20.11.2021 verlegte die AG Stolpersteine Reinickendorf in Abstimmung mit der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin in Zusammenarbeit mit dem Künstler Gunter Demnig den 3. Stolperstein in unserer Genossenschaft.

Die Verlegung des Stolpersteins für Selma Kirschner erfolgte in Anwesenheit ihrer Tochter Rosemarie Sonnemann, der Enkelin Ellen und dem Urenkel Alwin in der Egidystraße 51. Herr Torsten Hauschild (AG Solpersteine Reinickendorf) begrüßte die ca. 60 Gäste, die zum großen Teil natürlich aus der Nachbarschaft stammten. Die Grußworte für den Bezirk Reinickendorf überbrachte der Stellvertretende Bezirksbürgermeister Uwe Brockhausen. Er würdigte die Arbeit der AG Stolpersteine und verwies auf die Wichtigkeit der Stolpersteine gerade in der heutigen Zeit, in der die Verbrechen der Nationalsozialisten so häufig in Vergessenheit geraten bzw. sogar verleugnet werden. Frau Müller von der Koordinierungsstelle AG Stolpersteine Berlin verlas den Lebenslauf von Frau Selma Kirschner. Für die vielen Zuhörer wurde ein grausames Schicksal offenbart.

Wer war Selma Kirschner?

Selma Kirschner wurde am 3. April 1923 in Berlin geboren, ihre Eltern waren Juden und stammten aus Polen. Selma kam schon als Kind zu Pflegeeltern, diese Familie lebte in der Kolonie „Frühauf“ in Borsigwalde. Mit dem gelernten Glaser Herbert Retzlaff - seine Familie war nicht jüdisch - bekam sie am 18.09.1940 eine Tochter. Selma Kirschner ist zu diesem Zeitpunkt minderjährig, ledig, schwanger und noch dazu Jüdin. Im Jahr 1941 trat sie eine Stelle bei Rheinmetall Borsig in Tegel an. Eines Tages kam sie von der Arbeit nicht nach Hause. Sie wurde von der Gestapo auf ihrer Arbeitsstelle abgeholt und ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Von dort wurde sie nach Auschwitz verlegt, wo sie am 01.11.1942 im Alter von 19 Jahren vermutlich in der Gaskammer ermordet wurde, wie aus einem Dokumenten-Auszug des internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes vom 10.06.1997 hervorgeht. Laut Angaben des KZ war die Todesursache ein Herz-Kreislauf-Versagen; üblicherweise steht dieser Aktenvermerk für die Ermordung in der Gaskammer.

Von Selmas Tod in Auschwitz erfuhr ihre Tochter erst Jahrzehnte nach Kriegende durch eigene Recherchen. Bis Anfang der 1950er Jahre erinnerte ein Mahnmal in Alt-Tegel an die während der Nazi-Diktatur ermordeten Tegler, Mitbürgerinnen und Mitbürger. Auf ihm waren die Namen der Ermordeten verzeichnet, unter ihnen auch Selma Kirschner und das Jahr ihrer Ermordung. Dieses Mahnmal musste 1952 dem Neubau des späteren Hertie-Kaufhauses an der Ecke Gorkistraße/Berliner Straße weichen und wurde leider nie wieder aufgebaut.

Der nun verlegte Stolperstein wird dafür sorgen, dass die Schollanerin Selma Kirschner nicht vergessen wird.

Weitere Stolpersteine in der "Scholle"

Der 1. Stolperstein wurde im Jahr 2004 für Luise Klein in der Egidystraße 26 verlegt. Der Stolperstein für Fritz Ausländer liegt seit dem Jahr 2009 im Erholungsweg 14.

Vor 3 Jahren hatten der Kooperationspartner der "Freien Scholle" an die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft erinnert und die beiden Stolpersteine von Luise Klein und Fritz Ausländer besucht.

Das Projekt Stolpersteine in Reinickendorf

In der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 wurden in Deutschland viele Menschen rassisch, politisch oder aus anderen Gründen verfolgt, ermordet oder in den Freitod getrieben. Millionen wurden in Deutschland und Europa in Konzentrationslager deportiert und dort umgebracht.

Mit der „Aktion Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig wird seit 1992 durch kleine, in den Bürgersteig eingelassene Gedenksteine an ihrer letzten bekannten Wohnadresse an diese Menschen erinnert. Auf der Oberseite der Steine wird eine Messingplatte verankert, in die Name, Geburtsjahr, Tag der Deportation, Sterbetag und Sterbeort – soweit bekannt – eingestanzt werden.

Vor der Steinsetzung wird der Lebenslauf des Opfers erforscht und von uns veröffentlicht. Die ersten Stolpersteine in Reinickendorf wurden von einem Arbeitskreis zur Erinnerung an die Opfer der NS-Psychatrie verlegt. Zum Gedenken an die anderen Opfergruppen konstituierte sich ein weiterer Arbeitskreis. Die Steine sollen die Opfer namhaft machen und darauf hinweisen, dass es Menschen aus unserer Nachbarschaft waren, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen.

AG Stolpersteine Reinickendorf für die Opfer der Verfolgung aus rassistischen, politischen oder anderen Gründen in der Zeit des Nationalsozialismus

Eine Zusammenarbeit zwischen dem „Förderkreis für Bildung, Kultur und internationale Beziehungen Reinickendorf e.V.“, dem Museum Reinickendorf und interessierten Bürgern

Kontakt

AG Stolpersteine Reinickendorf
c/o Museum Reinickendorf
Alt-Hermsdorf 35
13467 Berlin

Förderkreis
Peter Rode, Tel.: 406 20 93, E-Mail: peter-rode@gmx.de

Bankverbindung:
Förderkreis für Bildung, Kultur und internationale Beziehungen Reinickendorf e.V.
Berliner Sparkasse; „Spende zur Unterstützung des Projektes Stolpersteine“
IBAN DE38 1005 0000 0190 2692 35 - BIC BELADEBEXXX

Weitere Informationen zum Thema "Widerstand in der Nazizeit"

Weitere ausführliche Informationen zu den Themen

Widerstand in der Nazizeit - gelebte Geschichte in der "Freien Scholle" und

Zwangs- und Fremdarbeiterlager in der direkten Nachbarschaft der "Freien Scholle"

finden Sie in unserem Historischen Sondermitteilungsblatt "Widerstand in der Nazizeit"
aus dem Jahr 2019 - Größe: 3,12 MB.

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